Wir haben das Enneagramm schätzen gelernt…
Enneagramm – was ist das eigentlich?
Das Enneagramm ist ein Modell, in dem neun Persönlichkeitsstrukturen geordnet, voneinander unterschieden und zueinander in Beziehung gesetzt werden.
Der Begriff kommt aus dem Altgriechischen. „Ennea“ bedeutet „neun“ und „gramma“ in etwa „Figur, Erläuterung“.
Das dazugehörige Symbol besteht aus mehreren Einzelfiguren, nämlich einem Kreis, einem Dreieck und einem Sechszack.
In unserer Vorstellung steht der Kreis als Symbol für die Einheit. Das Dreieck symbolisiert die drei Grundkräfte des Lebens, nämlich Entstehen, Bewahren und Vergehen. Der Sechszack ist die Welt, wie wir sie mit unseren Sinnen erleben. Die gesamte Figur kann so betrachtet werden: Alles ist in Verbindung und steht in Wechselwirkung miteinander. Und wir behaupten: Das Enneagramm, das Symbol hat mit jedem von uns etwas zu tun.
Ein kleiner Ausflug in die Geschichte macht deutlich, dass die Wurzeln des Enneagramms unbekannt sind. Manche siedeln den Beginn des Enneagramms in der Antike an, in verschiedenen Kulturkreisen wie zum Beispiel in der christlichen Mystik des 4. Jahrhunderts, dem Urchristentum, oder im Sufismus, der islamischen Mystik.
Die Verwendung in der heutigen Form entwickelte Georges I. Gurdjieff zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Verwendung des Symbols als Persönlichkeitsenneagramm geschah erstmals in den 1960er Jahren.
Man könnte sagen: Alles schön und gut, aber was hat das Enneagramm denn nun mit mir zu tun?
Wenn wir ehrlich sind, ist doch das meiste der menschlichen Motivation und der Antriebe für alles Denken und Handeln im Leben unbewusst. Der Vergleich mit einem Eisberg bietet sich an: Ein Zehntel ist über dem Wasser, also bewusst, und neun Zehntel verbergen sich unter der Oberfläche und sind unbewusst.
Wie oft sind wir verwundert, was sich im Leben alles so zeigt und geschieht. Und es wiederholt sich vieles oftmals… und wiederholt sich… und wir verstehen nicht, warum.
Wäre es nicht spannend, ja sogar erleichternd, den unbewussten, manchmal zwanghaften Mechanismen in uns auf die Schliche zu kommen?
Wir behaupten nun, dass alle unbewussten Mechanismen und Antriebe im menschlichen Leben immer mit Bauch, Herz und Kopf zu tun haben. Sie kennen sicher Redewendungen wie „das mache ich aus dem Bauch heraus“ oder „dabei wird mir das Herz schwer“. Auch „einen kühlen Kopf bewahren“ sei gut, wie man sagt. Solche „Volksweisheiten“ drücken Erfahrungen aus und weisen darauf hin, dass eine stete Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche vorhanden ist.
So wie wir den Redewendungen einen intelligenten Kern zuordnen, sehen wir auch Bauch, Herz und Kopf als echte Intelligenzzentren.
Welche Erleichterung und Freude könnte es sein, wenn diese drei Schaltzentralen Bauch – Herz – Kopf in uns frei von unbewussten Ängsten, Antrieben und Zwängen reagieren und handeln könnten.
Die Kraft, die Kompetenz und die Intelligenz eines jeden dieser drei Wahrnehmungszentren in uns genauer kennen zu lernen und die drei als kommunikatives Team miteinander sprechen und handeln zu lassen, ist für uns die Hauptlinie, das Fundament des Enneagramms, mit dem als Modell, als Methode ausgezeichnet gearbeitet werden kann.
Alle unsere menschlichen Charaktereigenschaften lassen sich darauf zurückführen. Und da jeder Mensch mit Bauch, Herz und Kopf ausgestattet ist, also wirklich alles in sich trägt, kann das Enneagramm und die Feststellung einer bestimmten Struktur keine leichtfertige Einschachtelung, keine Begrenzung auf einen einzigen Charaktertyp sein.
Wir sehen die Vielfalt menschlichen Lebens, die sich im gleichwertigen und förderlichen Neben- und Miteinander in uns allen bewegt.
Und was kann lohnender sein, als uns selbst und die Menschen, mit denen wir im Leben zu tun haben, besser kennen zu lernen und damit besser zu verstehen?
An dieser Stelle soll ein bekannter Vertreter des Enneagramms in Deutschland, der Franziskanerpater Richard Rohr, zu Wort kommen:
„Als Spiegel der Seele bleibt das Enneagramm ein Werkzeug, das irgendwann beiseite gelegt werden kann. Das Enneagramm ist nicht die Antwort, sondern ein Wegweiser. Wegweiser zeigen den Weg; gehen aber müssen wir selbst.“
Text: Claudia Ebenhoch, Saritha M. Wimmer
Grafiken: Martin Ebenhoch